Der Wichtelkönig Eck

Der Wichtelkönig Eck lebt mit seinem Wichtelvolk unter den Felsen der Burg Waldeck. Sein Herrschaftsgebiet liegt an der Eder. Er ist daher auch der Beschützer der Burg Waldeck und hat bei ihrem Bau mitgeholfen. Zum Zeichen seiner Königswürde trägt er einen goldenen Hammer aus Edergold. Er und sein Wichtelvolk (auch Hollen genannt) zeigen sich sehr selten den Menschen. Durch Nebelkappen (Tarnkappen) kann er und sie sich unsichtbar machen.
____________________
(Überliefertes)

Beim Heimgange eines waldeckischen Grafen oder Fürsten schlägt Eck mit seinem funkelnden Hammer aus Edergold dreimal auf den Felsen. Dann wird’s im Nachtdunkel an allen Hügeln und Hängen der Eder lebendig. Zahllose Lichtchen blitzen auf, wie Glühwürmchen, die im Funkenflug durch die Sommernächte schwärmen und schwirren. Es sind die Leuchten der Hollen, die von allen Bergen her Schloss Waldeck zueilen, um ihrem seligen Herrn das Totenamt zu halten. Weithin hellt dann der Schein ihrer Lichtchen das dunkle Edertal. Die Gedächtnisfeier zu Ehren des Entschlafenen beginnt, eine wundersame Stunde im dunkeln Schweigen der Nacht. Nur aus dem Tale herauf klingt leises Wellenrauschen. Lange, lange redet Eck zur lautlos lauschenden Schar. Wenn er am Ende ist, schwören die Hollen ihrem neuen Herrn den Treueid, und nach dem Arolser Schlosse hingewandt, rufen sie alle:

„Sei stets in edlem Streben
Den hohen Ahnen gleich,
So wird, o Herr, dein Leben
An Glück und Liebe reich“.

Und wieder klingt dann Ecks Goldhammer dreimal auf den Felsen nieder. Die Lichtchen der Hollen huschen auseinander. Eilig suchen sie wieder die Bergestiefen, ihre Wohnungen auf, ein unzähliges Gewimmel.

Auch eine Blume hüten und hegen die Zwerge, die einen schwarzen Stängel, rote Blüten und goldene Blätter hat. Sie wächst in tiefer Waldeinsamkeit und wird unsichtbar, sowie eine Menschenhand sich nach ihr ausstreckt. Nur wenige haben sie gesehen; aber wer auch nur im Vorübergehen ihren Duft geatmet hat, den treibt Heimatsehnen sein Leben lang. Oft geht durch die tiefe Waldesstille ein heimliches Singen und Klingen und Sonntagskinder erlauschen wohl einmal ein leises zauberisches Lied:

„Es hegen die Zwerge ein Blümelein
Im Schoße der Berge, gar selten und fein.
Schwarzzweiglein, rote Blüten und Blätter von Gold
Ein Blühen und Duften gar wonnig und hold.
Wes Seele träumend den Würzruch trank,
Den macht ein Sehnen, ein Heimweh krank;
Dem wird in der Fremde das Herz so schwer,
Wie Heimruf winkt’s ihm aus Fernen her.
Leis’ locken die Glocken der Jugendzeit,
Und Spiele und Lieder, verklungen so weit,
Und Wälderrauschen und Quellensang,
Die traute Hütte am Bergeshang:
Komm wieder zum Dörfchen im Flurengrund,
Wirst im Heimatfrieden froh und gesund“.
____________________
(Ludwig Curtze)