Huckupp (Hockauf)

„Henner, mach uff, ech honn en Wärwulf“

Auch Hermann Betz aus Waldeck wusste von Huckupps zu berichten. „Grusel- und Gespenster- geschichten“, zu denen auch die Geschichten von den Werwölfen zu rechnen sind, waren bis zur Jahrhundertwende ein beliebtes Thema für die abendliche Unterhaltung. Besonders in den Spinnstuben nahmen sie neben den unter jungen Leuten beiderlei Geschlechts üblichen Gesprächen einen breiten Raum ein. Die männliche Jugend verfolgte mit diesen Grusel-geschichten noch einen besonderen Zweck. Die Angebetete bekam es so mit dem Gruseln (Waldecker Ausdruck: „Gruggeln“) zu tun, dass sie das Angebot des Beschützers, sie auf dem abendlichen Heimweg zu begleiten, nur zu gern annahm.

Die Verwandlung eines Menschen in einen Werwolf geschah auf folgende Weise: Aus der Haut eines totgeborenen Fohlens stellte man einen Gürtel her, der unter allerhand Anrufen und Zeremonien (Beschwörungen) an bestimmten Tagen, Neumond oder Vollmond, den Träger in einen Werwolf verwandeln sollte. Auch die Nachgeburt des Pferdes spielte dabei eine Rolle. Es war früher Sitte, die Nachgeburt nicht zu vergraben oder einfach auf den Misthaufen zu werfen. Sie wurde vielmehr an der Außenwand des Stalles an einem Holznagel des Fachwerkes aufgehängt. Vielen älteren Menschen sind solche getrocknete Zierarte aus ihrer Jugendzeit noch in Erinnerung.

In der Kluß (Clues), jenem dunklen Tal am Fuße des Schlossberges, wo heute das Café Seeblick steht, hauste zu der Zeit, als noch das Kloster Berich bestand, ein Einsiedler. Am Tage bemühte er sich um die frommen Pilger, die nach Berich kamen, nachts aber verwandelte er sich in einen reißenden Werwolf, der mit dem Bösen im Bunde war und die Pilger in Furcht und Schrecken versetzte. Sein letztes Opfer war nach einer Eintragung im Kirchenbuch der Stadt Waldeck ein Forstgehilfe namens Emde. Laut Aufzeichnung schleppte dieser einen Werwolf, der ihm in der Kluß auf den Rücken gesprungen war, den ganzen Weg herauf durch das Winkelchen bis an das Stadttor. Dort sprang der Werwolf ab und verschwand. Nach drei Tagen starb Forstgehilfe Emde an Erschöpfung. Wann genau diese Eintragung erfolgte, ist dem Verfasser nicht in Erinnerung. Es war vor etwa 250 Jahren.

Hinter der Sache steckten natürlich junge Burschen, die mit einem umgehängten Schaffell das Gruseltier spielten. Sie sprangen ängstlichen Gemütern auf den Rücken und ließen sich ein Stück Weges schleppen. Im Bergstädtchen Waldeck wurde der letzte „Werwolf“ vor etwa 90 Jahren gesehen. Er sprang einem stämmigen Mann auf den Rücken und ließ sich von diesem bis zum Hoftor schleppen. Dort rief der Träger: „Henner, mach uff, ech honn en Wärwulf!“ Mitunter kamen die „Werwölfe“ allerdings auch an den Unrechten und bezogen die wohlverdiente Tracht Prügel.
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Verwandt mit dem Werwolf ist der hessisch-westfälische Böxenwolf, der in Wolfsgestalt dem Menschen aufhockte. Auch in Waldeck trat der Werwolf gelegentlich als Huckupp auf. Die Bezeichnung Böxenwolf war aber offenbar im Waldecker Lande nicht gebräuchlich.

Quelle: Waldeckisches Lesebuch, Band 2, Geschichte und Geschichten aus dem Waldecker Land von Hermann Bing © 1984 by Wilhelm Bing Verlag, Korbach-Bad Wildungen
(Auf diese Geschichte wurde ich von Andrea Ginder aufmerksam gemacht)